31.8.05

Horns polemische Anwandlungen

Axel H. Horns gehört zu den Patentanwälten im Softwarebereich, die einem sehr sympathisch sein können. Ein Grund ist, dass er Aktivitäten zur Kenntnis nimmt und kommentiert. Ein anderer ist, dass Horns hin und wieder interessante Dokumente findet und in seinem Blog erwähnt. Und der letzte, dass Horns mitunter so richtig über die Stränge zieht.

Florian Müller hat in den letzten Tagen mit ein bisschen PR aus der Sommerpause gemeldet. Über seine ehemaligen Website nosoftwarepatents.com sagte er mir mal, er wolle dafür sorgen, dass sich die Patentanwälte so richtig aufregen. Florian Müller beherrscht beides. Selbst immer schön voll auf die Kacke zu hauen, und sich dann als der angeblich seriöse Vertreter von Phantompositionen abzugrenzen.

Bei Horns scheint er mit seiner jüngsten PR sehr erfolgreich zu sein. So kommentiert Horns folgenden Ausspruch Florian Müllers:
I am generally pro-IP because I've been living off IPRs (Intellectual Property Rights) for years and (am) just against software patents." [...]" Well, I am not quite sure how to assess the scope of this statement .
Ein Satz Florian Müllers, den bekanntermassen alle, die ich kenne, unterschreiben können und auch keinen überraschen dürfte. Das weiß auch Horns. Zoobab, also Benjamin Henrion, und einige andere meinen Horns Trollversuch beantworten zu müssen. Lasst es doch einfach bleiben!

Ein Paradebeispiel für Horns neue polemische Anwandlungen als weitere Verpuppung ist natürlich auch dieser Kommentar "Summer Break is Over: Rows over Patentability of CIIs Continue". Er zeigt, dass sich Leute wie Axel Horns nun in der wütend um sich schlagenden Defensive befinden (schon vor dem Sommer reagierte er äußerst nervös auf angebliches Säbelrasseln , tatsächlich mehr eine Art more of the same). Interessant nun zu sehen, was Horns nach der "summer break" für die Strategie auf europäischer Ebene hält:
Well, the idea of politically utilising the EU Community Patent project is not new. And, they should not forget that any EU Regulation on a Community Patent would not require a Common Position with the European Parliament because of such matter would not be covered by any co-decision requirements.
Man sieht, Müller schafft es Horns
sich so richtig aufregen zu lassen und aus dem Sessel zu katapultieren:
Ha! "Abolitionist Amendments" is a quite good language indicating in an uncensored way the very purpose for which the proposed 21+ anti-patenting amendments were drafted for. They were drafted in order to abolish granting of all patents which might, on the infringement side, potentially be used against (commercial) tinkering with software.
... What should be, according to Mr. Müller, be the consequences? He seems to be silent on that question. But it might not come as a surprise if he would in fact think that those judges should be evicted from their Offices and replaced by more biased anti-patent individuals.
Der Stil erinnert entfernt an Simon Gentry. PA Horns liebt seine Beschwerdekammer und insistiert:
The EPC is interpreted authoritatively by the Boards of Appeal, and, in certain cases, by national Courts. They have, from time to time and on a case-by-case basis, cancelled patents on CIIs previously granted by the EPO because of insufficient technikcality, novelty and/or inventive step but they never have said that patents on CIIs are inadmissible in general.
Was sagen wir dazu? Abgesehen von der üblichen Umkehr der Beweislast, würde Herr Horns erklären müssen, wie es sein kann, dass sich die Interpretation ein und desselben Rechtstextes um 180 Grad verändert hat. Wer hat eigentlich die EPO-Institutionen oder Horns in den Softwaremarkt eingeladen? Eine Regulierung des Marktes benötigt eine gesetzliche Ermächtigung dazu, die man sich nicht über Neuauslegung wie in IBM/computerprogrammprodukt holen darf. Wenn es dennoch geschieht, kann und soll es der Gesetzgeber korrigieren. Den aber sieht er jetzt nicht mehr zuständig, sobald der Gesetzgeber nicht mit der EPO Beschwerdekammer übereinstimmt. Sein Vorschlag eine diplomatische Konferenz einzuberufen, verdient allerdings Unterstützung. F. Müller beginnt die Initiative beim Europaparlament, das schliesst andere Wege nicht aus.

Der Versuch eine Art anti-kapitalistische Karte seinen Gegnern unterzuschieben, ist schon deshalb nicht von Erfolg gekrönt, weil Axel Horns als aufmerksamer Beobachter der Szene selbst nicht daran glauben kann. Komisch ist es dann, ihn bei seinen scheinheiligen Protesten gegen die Enttäuschung der Rollenerwartung zu beobachten.

24.8.05

Aspen

Das Schöne an den lobbyistischen Aktivitäten von Microsoft, um die sich immer dümmliche Verschwörungstheorien ranken, ist ihr Unterhaltungswert. Die Firma hat das Pech häufig die falschen Leute für sich zu finanzieren.

Aspen Summit 2005, schon einmal davon gehört? Ich fand den Kongress einer amerikanischen Denkfabrik zufällig im letzten Jahr und packte ihn in den FFII-Veranstaltungskalender, den ich betreue. Mit der Thematik der Adäquanz gewisser Schutzrechte für die Erfordernisse des Softwaremarktes hatte die Veranstaltung in den USA seinerzeit kaum Schnittstelle. Das änderte sich aber in der Zeit nach dem Eintrag, in der das Thema hochkochte. Nun diskutierten dort MS-Lobbyisten unter sich ausgerechnet diese Thematik und widersprachen den hauseigenen Gesetzesinitiativen in Washington. Hired Guns, die auf ihre eigenen Leute ballern. Ob sie wohl unseren Veranstaltungskalender lesen? (...mal sehen, ob sie auch bei anderen dort gelisteten Veranstaltungen wie z.b. der Speyrer Korruptionstagung vertreten sein werden; Spass beiseite, natürlich ist PFF relativ offen über seine Sponsoren)

Wie der Heise-Journalist Stefan Krempl ausführt, verkündete der "Experte" Myhrvold als keynote dort sehr bemerkenswerte Positionen. Patent-Trolle gebe es nicht usw. Krempl erwähnt süffisant auch die leichten Widersprüche. Die üblichen Verdächtigen wie ACT usw. waren natürlich auch im Schlepptau von Myhrvold dabei. Nach Krempls Ansicht handelt es sich bei dem PPF, die den Aspen Summit ausrichtet, um eine "neoliberale" Denkfabrik.

Mit Neoliberalismus haben allerdings diese Positionen nichts gemein. Es ist schon eine Schande auf welche Art und Weise neoliberale Gedanken pervertiert werden, und dann möglicherweise von Kritikern auf dem Neoliberalismus eingedroschen wird.

19.8.05

Die Dosis macht das Gift

Microsoft hat ernste Probleme im Bereich Public Affairs. Gewöhnlicherweise streuen sie im Lobbying recht breit, selten mit gutem Händchen (siehe EU-Debatte, Hunzinger, usw.). Kernproblem ist aber eine latent feindselige Stimmung gegen den Softwarehersteller, die von zivilgesellschaftlichen Akteuren immer wieder als Massenkristall bedient werden kann. Sibold gab schon vor Jahren an, das Problem sei nicht mehr die Technikfreaks zu inspirieren. Siehe z.B. auch Manager Magazin. Gravierender scheint aber die Abneigung unter den eigenen Kunden zu sein. "Die Journalisten hassen ihre Lieblingstextverarbeitung". Auch bei der Debatte auf europäischer Ebene standen Microsoft-Verschwörungstheorien bei der Presse hoch im Kurs. Manchmal hatte man den Eindruck, dass sich schlechtere Lobbyisten die beste Mühe machten, konspirologischer Paranoia gerecht zu werden. Eine Garde von hirnlosen hired guns nährte berechtigte Emotionen. Weil die Öffentlichkeit bei MS besonders hinschaut, sind Rohrkrepierer und desaströse Lobbyaktionen häufig. Es kann auch sehr unterhaltsam für Beobachter sein.

Nun lese ich in der Online-Presse (Spiegel, Heise), dass eine Veranstaltung für MS von Pleon (sehr professionelle PR-Agentur) von Grünen Nachwuchspolitikern für ihre Zwecke instrumentalisiert wurde. Siehe auch das Blog Netzpolitik. Es geht um Berlin, dort hatte der Senator Harald Wolf (Kommunist) schon einigen Wirbel mit dem Abgeordnetenhaus gehabt. Linux in der Verwaltung wird heiss und kontrovers diskutiert, manche Politiker wünschen eine Migration auf die alternative Plattform, so auch die Grüne Jugend. Und Microsoft setzt ein massives Lobbyaufgebot dagegen, das nicht selten Gift für nahestehende Politiker ist. Sehr dick aufgetragen sicherlich den Vorgängersenator Branoner in den Bereich Public Affairs zu holen... Auch die ungeschriebene Lobbyregel Abstand von Kommunisten zu wahren, wurde beim Wirtschaftssenator notwendigerweise durchbrochen. Harald Wolf wurde in den letzten Jahren eine intensive Aufmerksamkeit durch die Lobbymaschinerie geschenkt. Die FDP machte Krawall im Senat letztes Jahr als der Senator Befindlichkeiten erregte, die Medien berichten ätzend. Der nächste Public Affairs GAU bahnte sich schon damals an.

Auf den Bildern, welche die Gegenveranstalter schossen, sieht man, dass MS-Lobbyisten die Nationalisierungsstrategie fahren. Microsoft soll als deutsches Unternehmen in Deutschland wahrgenommen werden. Dazu muss natürlich auch lokales Engagement demonstriert werden. Solche Überlegungen kursierten auch in Lobbyingkreisen in Brüssel. Meiner Ansicht nach verfehlen diese Anstrengungen aber den Punkt, weil ihre Analyse falsch ist.

Man sieht auch den allgemeinen Trend, dass herkömmliches Lobbying durch unerwartete kreative Aktionen Dritter an seine Grenzen geführt wird und sich wandeln muss. Hände aber weg vom Astroturfing!

18.8.05

"die Jugendlichen"

"die Jugendlichen" - man hört diese Formulierung jetzt permanent in der Berichterstattung rund um den katholischen Weltjugendtag mit Papstbesuch. Phoenix und andere Sender demonstrieren uns, dass es noch mehr gibt als Hofberichterstatter, Fussballkommentatoren und Loveparadedeuter; Berufsjugendliche Weltjugendtagstotquatscher und katholische spin doctors, die sich ihren Zeitgeist nach ihrem Geschmack backen. Am Rande erfahre ich das "wir" auch die heiligen drei Könige sind, denn der neue Papst fährt wall zu den sterblichen Resten der Drei (Wir sind gekommen um ihn anzubeten...) zum Kölner Dom.

Ich sauge, ganz unkatholisch wie ich bin, dieses Wissen auf, aber sollte ich das? Vor allem, wenn man eigentlich nur sein Buch lesen will und gar nicht hören möchte, was "die Jugendlichen" von dem Papst erwarten und warum "die Jugendlichen" so begeistert sind. Ich werd da röööömisch-kathoooolisch und verordne mir Zwangsmaßnahmen. Die guten alten gelben Ohrstöpsel. Da können die Nachbarn gerne den Berichten über "die Jugendlichen" und lauschen und ich im Garten mein Buch lesen. Soweit mein pragmatischer Beitrag zur Ökonomene... Konzentration garantiert.

entwurmung

Wir haben es ja schon geahnt. CNN hat übertrieben, jetzt auch Netcraft: No major impact on Web Sites From New Windows Worm.

"Likely this is an isolated event, which became newsworthy because CNN got infected," wird das Internet Storm Center von Miller zitiert.

Ist das schön!

Gestern am Nassauhafen. Leise kräuselnde Wellen, Vollmond mit darunterliegendem Leuchtfeuer beleuchtet die Szenerie. Langsam aber bestimmt strömt das Nordseewasser ein. Nur die Möwen hacken ein wenig aufeinander rum: uöähgh - ergh ergh örgh. Ich habe fast eine halbe Stunde nachgedacht wie man das schreiben soll. Möwisch, einzigartig. Ist das schön hier!

Und beim Pumpwerk gibt es jetzt wohl jeden Mittwoch ein Fest.

So so, die EPO

Die EPO hat eine Broschüre herausgegeben, mit der sie sich weiterhin in die Rechtsetzung in Europa im Bereich CII, auch gegen den Willen des Gesetzgebers, einzumischt. Bemerkenswert sind vor allem unbelegte Behauptungen und Ignoranz über die Willensbekundungen der demokratischen Institutionen. Auch der FFII hat bereits Kritik geübt, der Franzose Gérald Sédrati-Dinet zitiert seinen Landsmann, den Rapporteur Michel Rocard: "there is no more a majority to cover you, be carefull with your case law, it is clear, given the amazing awareness on this subject, that would this practice continue, a parlamentary majority will arise to frame it, and even to forbid it, ineluctably and in a little while.". Was aber schreibt die EPO? Zum Beispiel:
Wer mehr Ressourcen und Informationen zur Verfügung hat, kann natürlich die Kosten leichter tragen. Dies gilt aber generell für den Erwerb eines Vermögenswertes oder den Eintritt in ein Verfahren und ist kein spezifisches Merkmal des Patentierungsprozesses. Zudem weist so gut wie nichts darauf hin, dass Patente für KMU nicht von Nutzen sein können, im Gegenteil: für innovative KMU und Start-up-Unternehmen, die weder über die notwendigen Finanzmittel noch über einen großen Marktanteil verfügen, sind Patente oftmals die einzige Möglichkeit, sich gegenüber der Konkurrenz zu behaupten.
Tatsache ist und bleibt, dass KMU allgemein zu wenig patentieren gemessen an ihrer Marktbedeutung. Dieser empirische Befund ist klar. Das Rechtsinstrument ist wenig geeignet für Märkte, die mittelständische Strukturen haben. Die EPO macht es sich hier zur einfach. Insbesondere kehrt sie die Beweislast um. Denn ein Markteingriff will gerechtfertigt durch Vorteile sein. Diese sind zu belegen, plausible Aussagen genügen nicht. Niemand muss deshalb darauf hinweisen, dass etwas nicht von Nutzen sein kann. Hingegen müsste die EPO den Nachweis einer Vorteilhaftigkeit führen um die Anwendung, d.h. die Beschränkung des Freien Marktes, zu rechtfertigen.

17.8.05

Wikitution

Ein interessantes Projekt: ein Verfassungsentwurf für Europa als Wikiprojekt.

CNN wurmt es

Gestern witterte CNN eine Riesenstory. Ein neuer Wurm im Internet, der Windows 2000 Rechner befalle. Mal wieder die üblichen "Experten", die von Windows 97 und Windows 99 sprachen...

16.8.05

Abgedreht

Ray Kurzweil, bekannt durch seine gleichnamigen Synthesizer und seine KI-Populärliteratur, will es noch einmal wissen und ist mittlerweile ziemlich abgedreht. Ewig leben mit Rosskur - ganz schön senil.

Alter, Krankheit und Tod sind für ihn vermeidbare "Tragödien", wie der Erfinder im Gespräch ein halbes dutzend Mal wiederholt. "Der Tod ist ein profunder Verlust an Wissen, Erfahrung, an Fähigkeiten und zwischenmenschlichen Beziehungen. Die Menschheit hat einen Großteil ihres Denkens in Philosophie und Religion darauf verwendet, diese Tragödie zu rationalisieren."

Kurzweil hingegen verbringt seine Zeit damit, Daten zu sammeln und auszuwerten, um jede nur denkbare Entwicklung als eine exponentielle Wachstumskurve darzustellen, die ausnahmslos dem von ihm formulierten "Gesetz der sich beschleunigenden Erträge" gehorchen. Dazu beschäftigt er einen Stab von zehn Mitarbeitern, die mathematische Modelle bauen und mit Daten füttern.

Das erste Mal, dass wir bei Technology Review ein wenig Ironie finden. Kurzweil auf dem Weg ins Universum:

Aber wieso will er überhaupt ewig leben? Kurzweil ... antwortet: "Das einzige, was bleibenden Wert hat, ist Wissen. Solange die Komplexität neuen Wissens zunimmt, ..., solange gibt es keinen Grund zu sterben. Wenn sich unser Wissen nicht immer weiter ausdehnte, bis wir schließlich unser Sonnensystem und das gesamte Universum mit unserer Mensch-Maschinen-Intelligenz erhellt haben, wäre die Aussicht auf ewiges Leben wirklich deprimierend. ..."

Jimbo frei

Wikipedia's Jimbo Wales will eine Liste von zu befreienden Dingen zur Inspiration im Stile von Hilbert anfertigen. Die Antworten auf seine Frage im Blog sind kaum erhellend. Interessant fand ich aber:
Law. Not just in terms of access to laws, but access to writing them. Why can’t we all write the laws we live by, via a wiki? I know, it’s a radical proposal, but I expect it would lead to simplified, common-sense laws, and a lot less of the weird-arse “you can’t sell cabbage on a tuesday while wearing brown shoes” nonsense that gets pushed through by special-interest groups or lingers for decades/centuries after cultural expectations have changed.
Bei der Bundeswehr wünschte ich mir eigentlich nur eine Telefonnummer unter jeder Dienstvorschrift. Die Frage "Wer ist dafür verantworlich?" und "An wen kann man sich wenden?" könnte sicherlich bei jedem staatlichen Dokument beantwortet werden. Wie Software ist Recht und ein bürokratischer Apparat fehlerbehaftet und muss entwanzt werden. Die Softwareentwickler haben gezeigt, was bug reporting-Werkzeuge zur Softwarequalität beitragen können. Ein Feedbacksystem für Gesetze, Dienstvorschriften und Behördenkommunikation - das wär doch was. Was dann "frei" oder "unfrei" ist, darüber kann man streiten. Mit der Freiheit wollen wir es mal nicht so ernst nehmen.

Als ich meinen Jurastudierenden im Hause vom Vorschlag mal erzählte, orakelten die was von Verfassungsbeschwerden und Rechtssoziologie usw. Man kann viel vom Softwareentwicklungsprozess lernen, aber wie erklärt etwas Menschen, die eine Art kulturelle Barriere haben die Sache zu verstehen?

Mir ist persönliche Verantwortlichkeit und Ansprechbarkeit in der Bürokratie wichtig und meine privaten kafkaeske Alpträume mit der Bürokratie sind möglicherweise persönliche Unfreiheiten, sie belasten mich. Es reicht mir nicht, wenn theoretische Möglichkeiten bestehen, die real kaum beschritten werden und Wissensklüfte unnötig bestehen bleiben lassen. Politik kann sich um das Management von Interessen bemühen. Informationsbarrieren abzubauen dagegen hat nicht direkt etwas damit zu tun. Softwareentwicklung mit Fehlerberichtssystemen sehe ich als best pratice. Auch Transparenz ist hilfreich. Ein Lernprozess in Behörden, der gerade erst beginnt. Andere Länder sind mit eGovernment und Transparenz schon weiter.

Irrelevanz der Neuheit

Steven Zenith legt die Axt bei Softwarepatenten an sehr richtiger Stelle an, indem er nämlich die Relevanz von "Neuheit" in diesem Bereich hinterfragt.
the vast majority of software patents, on general purpose computers (networked or not, devices, servers or desktop), are "obvious to one skilled in the art." This is one of the phrases that the USPTO uses to reject patent applications and its application in software patents is insufficiently broad. Here's why. Solutions to new applications are inevitable. They are the product of the general purpose computer in the hands of an individual using well-know principles that have inevitable consequences. Just because you were the first to consider the problem does not justify a patent award. The solution was the inevitable product (one of an inevitable few) of a general purpose computer architecture and a priori computer science. I hold such a patent, US Patent 6,519,771.

Lenz missversteht den wenig deutlichen Zenith und vermischt in seinem Blogbeitrag das mit der Debatte um Offensichtlichkeit, die immer als nebelnde Kerze leuchtet, und schwingt auf eine positivrechtliche Ebene. Er scheint sich an der mangelnden Tauglichkeit der Offensichtlichkeit als positivrechtliches Abgrenzungskriterium zu stören, auf die Steven Zenith selbst mit Verweis auf die Praxis des USPTO sich bezog. Lenz schreibt:
However, the question if something is obvious or not is different from the question if it is patentable subject matter or not.
Ein Kernargument ist aber eindeutig die Frage, welche Relevanz Priorität in diesem Bereich besitzt. Deshalb argumentiert Lenz auch positivrechtlich aus den "patentable subject matter" heraus wie er hier etwa an dem Beispiel Bücher durchexerziert:
Books are not patentable subject matter. That is the reason that there won't be a patent on a "story about magicians' high schools" (though with recent patent inflation trends, one never knows).
Freilich ist es normativ betrachtet gleichwertig zu prüfen, ob das Anreizinstrument Patentwesen für Buchideen möglicherweise geeignet ist. Eine rein positivrechtliche Argumentation greift hier zu kurz.

Bei einer normativen Betrachtung zu analysieren, ob Priorität ("der erste sein, der...") in dem Bereich überhaupt Relevanz hat, das ist selten. Dank an Steven Zenith, das er das einmal betont. In vielen Bereichen wirtschaftlichen Handelns ist Priorität vollkommen irrelevant. Etwa bei Geschäftsideen...

Chamäleon

Die Sueddeutsche schreibt zur EU Debatte "Großbaustelle Europa - Die EU - ein Chamäleon":
Obwohl es nie eine endgültige Zielperspektive gegeben hat und noch immer nicht gibt, hat die Europäische Union eine große Anziehungskraft entwickelt.
Wieso muss die EU eigentlich Ziele haben? Welches "Ziel" hat denn Deutschland? Das Problem der EU für liberale Geister ist dagegen, dass sie tatsächlich "Ziele" hat. Sogar in der abgelehnten Verfassung, in der Ziele nun weiss Gott nichts zu suchen haben, ist breit von den Zielen der Union die Rede. Die EU ist nicht saturiert, sondern im permanenten Fluss, "Integration" als Ziel.
Die europäische Integration ist ein Prozess:

Wer lehrt uns den Wahnsinn?

In Berlin gibt es einen "Lehrstuhl für Wahnsinn" mit einer Abneigung gegen Elektroschock in der Psychiartrie. Beim Stöbern bin ich auch auf einen dortigen Text von Fritz J. Rudert gestossen. Der Mann hat ein Art "zerfliessenden" Geist und ist stadtbekannt. Als ich nach einem Vortrag in Berlin die Nacht bei McDonalds am Bahnhof Zoo durchmachte, um den Frühzug zu erwischen, da hörte ich zu, um mich wach zu halten. Faszinierend was es für Leute gibt, aus denen ich nicht schlau werde. Nicht schlau werden, eine gute Idee.

14.8.05

Angelesen

Als ich weg war habe viel Post bekommen, u.a. Einladung von der WIPO, der Friedrich Naumann Stiftung, Post von der EU DG Internal Market und das Magazin der Böllstiftung "Böll Thema".

Axel Harneit-Sievers schreibt in einem kurzen Artikel über den nigerianischen Film: "Nollywood liebt langsame Inszenierungen, die von kurzen Actionszenen mit drastischen digitalen Effekten unterbrochen werden." - wie treffend!

Der Filmemacher Wim Wenders plädiert für Filmförderung und überfährt seinen Interviewer Ludwig Amman gleich zu Anfang mit der hohen Schule der Diplomatie: "So wie Sie mir die Frage stellen, kann ich sie nur als gequirlten Mist einstufen. ... Ihre Unterstellung, wir wollten "Kultur verbreiten", klingt ja schon zum Kotzen."
Wie erfrischend undiplomatisch in unserer glatt-gewischten politischen Gesprächskultur. Ich muss zugeben, die rechte Art sich Freunde zu machen, aber manchmal geht es halt nicht anders. Bravo!


"Gequirlten Mist" schreibt auch Prof. Peter Sloterdijk (ich erinnere mich an ihn als einen Riesen vom Weltgipfel in Genf, der selbst bei hohen Decken immer den Kopf einzieht) in seinem Text "Fünf Topoi und ein Versuch, uns unsere Zeit zu erklären" auf Seite 4. Brüller: Ihm wurde lt. S. 7 ein Preis für "wissenschaftliche Prosa" verliehen. Ehemm. Sloterdijk neuschöpfelt die Kulturimperialismusthese nunmehr als "reine Kolonialisierung", "bei der die Seelenformen anderer Kulturen von Grund auf durch eine Art kulturellen Kidnapping transformiert werden.". "Kulturmodelle ...werden nicht kommunikativ anderen Völkern oder Personen mitgeteilt, sondern im Modus einer infektiösen Mimesis in den anderen Kulturraum injiziert.", die "mimetische Injektion". Soso. Noch eine Kostprobe: "Globalisierung, wie wir sie philosophisch verstehen, beruht auf der Tatsache, dass heute diese Erdkugel in die Mitte unseres Weltbildes tritt und dabei schwankt zwischen Verdampfung und Vernichtung mittels neuer Weltentfernungs-, Distanzentfernungs- und Realitätsentfernungstechniken, die wir in Gestalt der Computertechnologie bedienen, und der Wiederkehr des Realen als Erde, welche unser kosmisches Exil darstellt." Welche Substanzen muss man "einwerfen" in das sinnentleerte postmoderne Subjekt, als eine Art Behälter potenzierter geistiger Umnachtung, um den narrativen Strukturen des P.Sloterdijk Gehalt im Ungehaltenen zu verleihen ohne selbst die Mimesis an die sprachliche Schlachtung der verstrahlten Vielfalt zu vollziehen?

Prof. Rainer Kuhlen schreibt mit üblichem Dualismus und reproduziert verschiedene linke Vorurteile zur Debatte um das "Geistige Eigentum" bei der Unesco. Dabei unterläuft ihm auch ein etwas leichtfertiger Umgang mit Begrifflichkeiten, der mit einer liberalen Argumentation wenig gemein hat. Er erwähnt zwar die Unesco-Bestrebungen, nicht aber den a2k-Vertrag, der weitaus bessere Chancen international hat. Wenn ich auch nicht alle Vorraussetzungen teile ist Kuhlen ein sehr interessanter Akteur auf wichtiger Mission. Und Bölls Olga Drossou schreibt einen Hurra-Google Artikel über die Digitalisierung von gemeinfreien Werken. Private Projekte wie das uralte amerikanische Projekt Gutenberg unterschlägt Olga leider. Sie spricht die Probleme der Interoperabilität und Offenheit von Formaten bei e-Texten an. Gut, dass es Erwähnung findet.

11.8.05

Sueddeutsche: Verfall von Erichs Werten

Der Ostdeutsche das unbekannte Wesen. Nach angeblichen Wahlkampftritten von Herrn Stoiber gegen Ostdeutsche fabuliert nun die Sueddeutsche Zeitung über das Andersartige am Ossi.

Plötzlich galten Werte nichts mehr: Die sozialistischen waren untergegangen, christliche gab es in einem weitgehend entkirchlichten Land kaum mehr. Was zählte, waren in erster Linie Erfolg und Geld. All das, was in den Zeiten des Kollektivs unter dem Stichwort Zusammenhalt, Gemeinsamkeit, Kultur lief, auch wenn es oft eine staatlich erzwungene Kultur war, wurde zur Seite gestellt wie ein altes Requisit.
oder noch dümmer:
... der Niedergang [i.e. der "Aufbau Ost", AR] hat auch mental verwüstete, entzivilisierte Landschaften hinterlassen, in denen es keine soziale Kontrolle mehr gibt – vor allem auf dem flachen Land [...ungleich Bayern mit seinen Bergen, AR] .
Der gute alte Wertverfall, aufgekocht und in neuen Worten aufbereitet. Nun könnte man erwägen die neue "Wertlosigkeit" des Ostens gegen die Werte der Zone, das klinge wie eine fantasielose konservative Denkfigur. Doch schleichen sich hier die Seelenforscher der Sueddeutschen auf den ostdeutschen SED-Stammtisch - ob der sich prima mit seinem oberbayrischen Pendant verträgt?

Kruzitürken. Saupreißn. Was ist eigentlich mit den Norddeutschen? Oder: Warum sollte Stoiber den Nerv der Ostdeutschen besser treffen als den der Norddeutschen?

Da legt der Edmund Stoiber auch schon mit der tönenden oberbayrischen Selbstgewissheit nach:
Wir haben leider nicht überall so kluge Bevölkerungsteile wie in Bayern
Dafür lieben den Stoiber Edmund seine politischen Gegner. Schon im letzten Bundestagswahlkampf hat ein Kandidat Stoiber mit seiner Fluthilfe überzeugt.