11.11.06

Auf zur Verklärung

Der Spiegelautor, ach nein: Spiegel Online Autor Christian Stöcker über die "Hobby-Propaganda im Netz".
Das Weiße Haus manipuliere die Geschichte, behauptete ein Videoblogger bei YouTube. ... Doch in Wahrheit log nicht die Regierung, sondern der angebliche Aufklärer. Ein Lehrstück in Sachen Netz-Öffentlichkeit.


Der Spiegel-Autor geht hier leichtfertig mit dem Vorwurf der Lüge um.

A) Die Behauptung des Videoposters
An einem Video von George W. Bushs legendärer Ansprache ... sei "herumgedoktert" worden, behauptete McIntee in seinem eigenen Video. Das Banner mit der dümmlich-prahlerischen Aufschrift "Mission accomplished" habe man offenbar entfernt, indem man oben einen Streifen vom Video abschnitt.


B) Die Behauptung ist haltlos
Dabei hatte Mike McIntee blanken Unsinn verbreitet - und zwar vermutlich mit voller Absicht.


C) Falsifikation der Behauptung
Nahezu alle Videos auf whitehouse.gov enthalten den bewussten schwarzen Balken - denn der verdeckt die Sendergrafiken der Nachrichtenkanäle, von denen das Material üblicherweise übernommen wird.


So what? Eine Behauptung oder sagen wir mal ein Vorwurf wird aufgestellt, und wird empirisch falsifiziert, Sir Popper springt fröhlich in die Luft. Wenn es denn immer so schön ginge.

Es ist auch üblich, dass Fehlinformationen, die einmal in die Welt gesetzt werden nicht von ihrer Quelle revidiert werden und fortleben. Genauer gesagt dürfte wenig von Spiegel Onlines eigener Berichterstattung strengen Maßstäben genügen.

Der Autor Stöcker mutmaßt, dass eine "Lüge" vorliegt, was etwas anderes ist als eine unwahre Tatsachenbehauptung. Wirft man Politikern "Lügen" vor, dann hat das normalerweise keine rechtlichen Konsequenzen, weil sie sich Prozesshanseleien nicht leisten können. Aber im Falle einer Privatperson dürfte die journalistische Gewohnheit lax mit diesen Anschuldigungen umzugehen, sie in rechtlich gefahrvolle Fahrwasser manövrieren. Es ist eben vor Gericht etwas anderes, ob jemand "lügt" oder eine unrichtige Behauptung aufstellt.

Die Geschichte ist ein schönes Beispiel für Macht und Missbrauchbarkeit des Bürger-Mediums Internet... Nachrichten und Analysen lassen sich heute von jedem leichter verbreiten als je zuvor. Die Qualitätskontrolle durch die Community funktioniert zwar - aber dass sich Korrekturen ebenso weit verbreiten wie Falschmeldungen, ist keineswegs sichergestellt.


In der Tat, die Frage ist aber wie weit es mit der Qualitätskontrolle der etablierten Medien bestellt ist; oder ob wir ohne Netz besser dran wären.