4.2.07

Europa und die Verteilung der Macht

Udo von Kampen hat den Text von Altbundespräsident Herzog nicht genau gelesen. Aber als Aufhänger kann man ihn ja trotzdem benutzen.

Ich möchte der These, durch die Europäische Verfassung werde die parlamentarische Demokratie gefährdet, widersprechen. Gerade durch die Verfassung wird das Demokratiedefizit auf europäischer Ebene abgebaut und die Bürgerbeteiligung verbessert.


Wenn man einmal eine vulgäre Euroskepsis und Brüsselskritik abspaltet, so muss man eingestehen: Die parlamentarische Demokratie wird durch die europäische Ebene derzeit unterminiert. Herzog führt einige Mechanismen auf, die der Praktiker genau kennt. Nicht immer wird das so scharf und klar analysiert. Der europäische Verfassungsentwurf ist ein Spiegel dieser bestehenden Verhältnisse. Er schreibt sozusagen den status quo fort. Es ist vollkommen richtig, dass das Europäische Parlament neue Rechte erhalten hätte, und das sind die Rechte, die ihm ohnehin zustehen sollten. Für eine Verfassungsordnung kommt es aber nur auf die Balance der Gewalten an. Und da kann der Entwurf nicht auf Dauer Bestand haben.

Die Kernfrage heißt nicht: "Entmachtet Europa die nationalen Parlamente?", sondern: "Wie können die Parlamente und die Bürger ihre Kontrollrechte ausbauen?" Eine gemeinsame Europäische Verfassung würde dies besser regeln.


Die europäische Verfassung zementiert eine gewisse Machtverteilung statt diesen Ausgleich herzustellen. Der Entwurf gibt einen Zwischenschritt im Prozess wieder und verzögert nur weiter die Vergabe der Rechte an die kompetente Institution.

Schuld an der Kluft zwischen Bürgern und Institutionen ist der Mangel an politischen Bindegliedern zwischen den Menschen vor Ort und der Europapolitik in Brüssel. Es fehlen europäische Parteien, die mit den Bürgern den demokratischen Diskurs über die Ziele und Gesetze der Union führen.


Das, was bei Wallström die "öffentliche Sphäre" heißt. Solange das Parlament nicht einmal ein Vorschlagsrecht hat, und allenfalls eingeschränkt Gesetzgeber ist, ist es müßig europäische Parteipolitik zu verfolgen. Denn die europäische Politik ist ja eben nicht Ausdruck von Parteipolitik, sondern institutioneller Kämpfe. Parlamente wirken gegen eine administrative Übermacht, im Rat und in der Kommission.

Udo von Kampen sollte besser lesen. Roman Herzogs spricht das Machtverhältnis zwischen parlamentarischen Vertretern und der Exekutive an, nicht Brüssel vs. Deutschland. Es ist ärgerlich von hochbezahlten Journalisten, welche die Situation kennen sollten, solche Strohmannargumentationen vorgesetzt zu bekommen.

Dümmlich wird's zuletzt mit dem Angriff:
Voraussicht nach soll eine Regierungskonferenz einberufen werden, um das Vertragswerk wieder zum Leben zu erwecken. Vielleicht sollte sich Roman Herzog tatkräftig dran beteiligen.

Es ist ein unerträglich, hier Roman Herzog wie einen Euronörgler zu konstruktiven Kritik zu ermuntern. Der Brüssels-Korrespondent übersieht die Rolle Herzogs im konstituierenden Verfassungsprozess, und dass dieser "vom Fach" ist.